Anästhesiologie bei Krankenhausreform nicht vergessen: Fachverbände sehen Versorgung und Sicherheit von jährlich mehr als zehn Millionen Patienten gefährdet

Zwei führende anästhesiologische Organisationen mahnen, den Fachbereich der Anästhesiologie bei der zukünftigen konkreten Ausgestaltung der Reform – insbesondere bei der Berechnung der Vorhaltekosten – aktiv einzubeziehen.

Zwar begrüßen der Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten e.V. (BDA) und die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI) die vom Bundesgesundheitsministerium und den Bundesländern vorgegebenen Ziele für die Krankenhausreform. Zugleich weisen sie aber darauf hin: Wie in kaum einem anderen Fachgebiet müssten in der Anästhesiologie personelle und apparative Vorhaltungen geleistet werden, um die Versorgung von jährlich mehr als zehn Millionen Patientinnen und Patienten in den Fachbereichen Anästhesie, Intensiv-, Schmerz-, Notfall- und Palliativmedizin sicherzustellen. „Wir können nur nochmals betonen, dass unser Fachbereich von den Reformen besonders betroffen sein wird“, sagt BDA-Präsidentin Prof. Grietje Beck und fordert: „Unsere Vorgaben zur apparativen und personellen Ausstattung von Anästhesieabteilungen müssen refinanziert werden.“

Bund und Länder wollen mit der Krankenhausreform die Versorgungssicherheit durch die Einführung von Vorhaltefinanzierungen für Krankenhäuser sichern, die Behandlungsqualität steigern und das System entbürokratisieren.

Reform-Entwürfe erwähnen Anästhesiologie nur am Rande

Mit großer Sorge betrachtet BDA-Präsidentin Beck die bisherigen Reform-Entwürfe der Regierungskommission, des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen oder der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF), die die Anästhesiologie – wenn überhaupt – nur am Rande erwähnen. Dennoch betont sie: „Unser Angebot an die politisch Verantwortlichen zur konstruktiven Mitarbeit erneuern wir und weisen nochmals dringend auf die Gefahren für die Sicherheit von Millionen Patientinnen und Patienten hin, wenn die Anästhesiologie nicht angemessen berücksichtigt wird.“

In den Eckpunkten zur Reform wurde beschlossen, nach einer Übergangsphase, in der die Vorhaltekosten pauschal mit 60 Prozent des bisherigen DRG- und Pflegebudgetvolumens veranschlagt werden sollen, in Zukunft die tatsächlichen Vorhaltekosten zu berechnen.

Prof. Benedikt Pannen, Präsident der DGAI, verweist in diesem Zusammenhang auf die Ausarbeitungen zur Ausstattung von Anästhesiearbeitsplätzen, die von DGAI und BDA gemeinsam erstellt wurden und laufend angepasst werden. „Sie bieten ideale Voraussetzungen für die Kalkulation tatsächlicher Vorhaltekosten“, sagt er. Darüber hinaus betont auch er: Die Eingaben zur Beschreibung der geplanten Krankenhaus-Level und Leistungsgruppen der DGAI und des BDA seien bis jetzt weder in NRW, noch von der AWMF berücksichtigt worden.

Auch Dr. Thomas Iber, Schriftführer des BDA, warnt: „Schon im bestehenden System der Fallpauschalen beobachten wir eine chronische Unterfinanzierung anästhesiologischer Abteilungen.“ Dies dürfe sich auf keinen Fall durch die Reformen verstetigen, sondern müsse korrigiert werden.

BDA-Vizepräsident Dr. Frank Vescia verweist zudem auf die geplante Ausweitung von stationärer und ambulanter Kooperation, die vor allem für sogenannte Level-II-Krankenhäuser vorgesehen ist. „Ambulantisierung und Förderung von Kooperationen zwischen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und Krankenhäusern hört sich zunächst gut an“, meint er, mahnt aber zugleich: „Dann muss der Gesetzgeber allerdings auch dafür sorgen, dass wir die nötigen Rahmenbedingungen erhalten und nicht durch sozial- oder arbeitsrechtliche Beschränkungen behindert werden, wenn Krankenhäuser und niedergelassene Ärztinnen und Ärzte dann tatsächlich zusammenarbeiten wollen.“

Bürokratie abbauen: Ärzte sollen Patienten behandeln, nicht am Schreibtisch sitzen

Gemeinsam sprechen sich DGAI und BDA nochmals für den Abbau unnötiger Bürokratie aus und erinnern an einen Antrag des Deutschen Ärztetages, den Aufwand für Dokumentationen auf das Notwendigste zu reduzieren. „Wir hoffen, dass die gesetzlichen Grundlagen, die jetzt erarbeitet werden sollen, das Ziel der Entbürokratisierung konsequent verfolgen und endlich den administrativen Aufwand verringern“, macht Dr. Markus Stolaczyk, Leiter des Referates Gesundheitspolitik beim BDA, deutlich.

„Wir brauchen jede Ärztin und jeden Arzt am Patienten und nicht am Schreibtisch oder in Begehungen des Medizinischen Dienstes.“ Kliniken, die sich freiwillig zertifizieren lassen – z.B. durch das Zertifikat Intensivmedizin der DGAI – sollen nicht nochmals durch den Medizinischen Dienst überprüft werden und dadurch redundanten Aufwand treiben müssen.

Quelle
BDA, DGAI, 13.07.2023
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